Squaring the circle – The story of Hipgnosis von Anton Corbijn. England, 2022.
Es gibt für mich einige Gründe, der guten alten Vinylscheibe nicht nachzutrauern – Klang, Empfindlichkeit, Handling, alle 20 Minuten Aufstehen und so weiter. Aber ein Grund wird immer bleiben und wird sich auch nicht wegdiskutieren lassen: Das Cover, groß und schön, und im besten Falle gleich ein Kunstwerk ganz für sich. Die schäbig mickrigen CDs sind glatt daran verschwendet, ebensogut könnten die ganz darauf verzichten, und ich habe nie mehr so genau hingesehen, es ist mir schlicht egal. Aber bei einer LP liegt die Sache anders – ich weiß nicht, wie oft mich ein besonders reizvolles und lockendes Cover zum Kauf einer Platte verleitet hat, und wie oft mich umgekehrt ein besonders hässliches Design vom Kauf abgehalten hat. Niemand soll behaupten, es komme nicht auch auf die Verpackung an.
Storm Thorgerson und Aubrey Powell alias Hipgnosis waren Großmeister ihrer Kunst, und wer wie ich eher in den 60ern und 70ern daheim ist, kennt ihr Werk natürlich, das geht gar nicht anders. Selbst wer kein Pink Floyd- oder Led Zeppelin- oder Wings-Fan ist, wird mit ihren einzigartig originellen, unkonventionellen, überraschenden, witzigen und sehr vielseitigen Entwürfen vertraut sein, wobei ihre langjährige Beziehung zu Roger Waters und David Gilmour schon etwas Besonderes und Dauerhaftes war, seine Wurzeln ja bereits im London der 60er hatte und eben auch einige ihrer bemerkenswertesten Arbeiten überhaupt hervorgebracht hat.
Anton Corbijn zollt ihnen nun seinen Respekt, in geschmackvoll gestyltem Schwarzweiß und mit jeder Menge Prominenz aus Rock und Fotographie und Graphikdesign und und und. Von den Anfängen im Swinging London bis hin zum großen Ruhm in den späten Siebzigern, der Hinwendung zum Musikvideo in den vermaledeiten Achtzigern und dem tragischen Bruch, der zu einer zwölfjährigen Sendepause zwischen den einst unzertrennlichen besten Freunden führte. Thorgerson lebt seit gut zehn Jahren nicht mehr, aber Powell gibt ausführlich Auskunft und mit ihm viele Wegbegleiter, die sich vor allem an Thorgersons kontroverse Persönlichkeit erinnern, aber auch an die unschlagbare Kreativität des Duos, die dann später, als das Rockgeschäft langsam übersättigt und dekadent wurde, auch mal sehr skurrile Formen annahm (Beispiele: „Are you normal“ von 10CC mit dem Schaf auf Hawaii, der brennende Stuntman von „Wish you were here“ oder natürlich das Heliumschwein vom „Animals“-Cover). Es macht sehr viel Spaß, sich die vielen schönen Cover nochmal vor Augen zu führen (auch ich habe mich aus oben aufgezählten Gründen schmerzhaft von all meinen LPs getrennt), ein paar Häppchen jener wunderbaren Musik zu hören und den nostalgischen, aber niemals kitschigen Erinnerungen der Herren Plant, Page, McCartney, Gabriel, Waters, Gilmour etc. zu lauschen, kontrapunktierend gewürzt von den Zwischenbemerkungen Noel Gallaghers, der als Zugehöriger einer etwas späteren Generation beharrlich darauf hinweist, wieviel verloren gegangen ist durch den Sieg der CD oder nun des Downloads oder des Streams. Und obwohl ich mich wie gesagt selbst auch gegen die LP entschieden habe (mittlerweile ist sie ja wieder auf dem Vormarsch), bleibt an dieser Stelle immer eine deutliche Trauer in mir zurück – von dem Knacken und Knistern und Rauschen und alle zwanzig Minuten Umdrehen habe ich mich gern getrennt, von den schönen großen Bildern werde ich mich niemals ganz trennen können. So ist das halt mit manchen Entscheidungen.
Dies ist ein Film von Fans für Fans, als solchen habe ich ihn genossen, habe in schönster 70er-Jahre-Nostalgie geschwelgt, und mir wurden tatsächlich auch die Augen geöffnet: Ich kenne „Band on the run“ natürlich, habe aber offensichtlich nie genau genug hingesehen, um auf dem Cover Christopher Lee und James Coburn entdeckt zu haben. Naja, bei der CD kann ich das natürlich auch vergessen… (26.3.)