Tatami von Zar Amir Ebrahimi und Guy Nattiv. Georgien/USA, 2023. Arienne Mandi, Zar Amir Ebrahimi, Jaime Ray Newman, Ash Goldeh, Nadine Marshall, Valeriu Andriuta
Leila ist eine junge, vielversprechende Judoka aus dem Iran. Zusammen mit ihrer langjährigen Trainerin und Vertrauten Maryam reist sie mit großen Ambitionen zu den Weltmeisterschaften nach Tiflis. Der iranische Judoverband meldet sich jedoch nach einigen gewonnenen Kämpfen plötzlich bei Maryam und weist sie an, Leilas Teilnahme an den Wettkämpfen zu beenden, weil möglicherweise ein Kampf gegen eine israelische Sportlerin auf sie wartet, falls sie weiter gewinnt. Und da Israel der große Feind des Islam ist, darf es zu einem solchen Duell auf keinen Fall kommen. Leila weigert sich und bekommt Unterstützung durch ihren Ehemann daheim. Doch als das Regime in Teheran den Druck erhöht, zuerst Maryams Eltern verhaftet und schließlich auch Leilas Vater, versucht Maryam, Leila zum Einlenken zu bewegen. Die Situation wird immer dramatischer, die Übergriffe der iranischen Terrorschergen immer bedrohlicher, und schließlich kommt es zwischen den beiden Frauen zum Zerwürfnis, weil Leila sich diesmal nicht unterkriegen lassen will und darin vom Dachverband unterstützt wird, dem ähnliche Praktiken des Regimes längst bekannt sind. Auch Maryam war, wie sie später selbst zugibt, als aktive Sportlerin in einer ähnlichen Situation und hat damals eine Verletzung vorgetäuscht, um aus dem Wettkampf aussteigen zu können. Leila hat das immer schon geahnt und möchte selbst nicht mit dieser Lüge und Erniedrigung leben. Doch auch sie gerät mehr und mehr in Not, die sich zunehmend physisch äußert, und schließlich verliert sie ihren Viertelfinalkampf. Maryam hat sich mittlerweile doch wieder auf ihre Seite geschlagen, und als sie beinahe von iranischen Beamten entführt wird, sucht auch sie Schutz beim Dachverband. Leila und sie reisen nach Paris aus, wo sie ein neues Leben beginnen, nachdem Leilas Mann sich und den gemeinsamen Sohn zuvor über die Grenze hat retten können.
Gerade rechtzeitig zu Olympia ein passender Film zum Thema Sport und Politik. Und auch ein passender Film zum Thema Freiheit und Unterdrückung. Und dazu, wie eng all diese Dinge oft miteinander verzahnt sind. Auf der einen Seite der religiöse Terror der islamistischen Diktatur, der seit langen Jahren jegliche Freiheit in welcher Form auch immer unterdrückt, die Menschen dort unterjocht, überwacht, einschüchtert, bedroht und tötet. Auf der anderen Seite der Versuch einer einzelnen Sportlerin, ihre Ziele und Träume zu verwirklichen, sich selbst zu verwirklichen und ihre hart erarbeitete Chance endlich zu nutzen. In Rückblenden sehen wir sie mit ihrem Mann und sehen, dass ihr durchaus bewusst ist, welchen Preis in ihrem Land dafür zahlen muss, international exponiert zu sein, erst recht als Frau, und wir sehen, dass sie abwägt und sich dafür entscheidet, diesen Preis zu zahlen und so manche Schikane in Kauf zu nehmen. Gleichwohl wirkt sie sehr reflektiert und klar, hat Maryams Lebenslüge längst durchschaut und sich entschlossen, dieses ein Mal in Tiflis nicht nachzugeben, sich nicht kleinkriegen zu lassen, und mit einiger Ermutigung und Unterstützung durch Vertreterinnen des Dachverbands gelingt es ihr zunächst, diesen Entschluss treu zu bleiben. In der eindringlichen Szenen wird gezeigt, wie sich der unerträgliche Druck auf die Beziehung der beiden Frauen auswirkt, wie vor allem Maryam immer kleiner, gehetzter, verschüchterter und mutloser, aber auch Leila steht in ihrem letzten Kampf kurz vor dem Kollaps, und es tut einfach gut zu sehen, dass den beiden hier ein optimistisches Ende gegönnt wird, obwohl man ihnen deutlich ansieht, dass die Folgen ihrer Erfahrungen wohl niemals ganz verschwinden werden.
Ein hochintensives, mitreißendes, spannendes Drama mit einer klaren Haltung, einer ebenso klaren Aussage und einer beeindruckenden künstlerischen Gestaltung. In schmuddeligem Schwarzweiß in engem Kader gefilmt und vor allem in den beiden Hauptrollen überaus stark und ausdrucksvoll gespielt. Eine Hommage an all jene, denen es gelingt, sich von der Tyrannei zu befreien, und zugleich auch eine Respektsbekundung für all jene, die weiterhin unter der Tyrannei leben müssen. Und natürlich ein großes, großes Trauerspiel im Ganzen, wenn man bedenkt, dass es solche Regimes heutzutage noch immer gibt und wohl auch immer geben wird. (12.8.)