Vena von Chiara Fleischhacker. BRD, 2024. Emma Drogunova, Paul Wollin, Friederike Becht, Liam Ben Ari, Barbara Philipp
Jenny ist schwanger und hat mit Bolle endlich mal einen festen Freund gefunden. Das könnte doch gut sein. Doch die beiden sind Crystaljunkies, und Jenny hat bereits einen Sohn, der von ihrer Mutter großgezogen wird, weil ihr das Sorgerecht entzogen wurde, und nun will sie nicht, dass das noch einmal passiert, und deshalb sagt sie erstmal niemandem was. Doch dann bekommt sie doch Betreuung von einer Hebamme und ihrer Gynäkologin, die ihr klar und deutlich zu verstehen gibt, dass sie mit ihrem Lebensstil ihr ungeborenes Kind massiv gefährdet. Die Hebamme Marla schafft es schließlich, die Mauer, die Jenny um sich herum gezogen hat, langsam und geduldig zu durchbrechen. Jenny muss für ihre Drogenvergehen ins Gefängnis, wo sie ihre Tochter zur Welt bringt. Sie trennt sich von Bolle, der vom Crystal Meth nicht loskommt. Ihr Kind wird nach der Geburt dann doch weggenommen, weil die deutsche Justiz gerade kein Familienzimmer frei hat, obwohl ihr eines zugesichert worden war.
Ein hochintensives, grandios gespieltes und inszeniertes Milieudrama, das über volle zwei Stunden eine faszinierende Dichte und Spannung hält und trotz einer sehr bedrückenden und allzeit gegenwärtigen Realitätsnähe nicht niederdrückend und entmutigend wirkt. Der Autorin/Regisseurin Chiara Fleischhacker gelingt dies, indem sie eine perfekte Balance aus Nähe und Distanz hält, soll heißen, sie ist einerseits immer ganz dicht dran an Jenny und ihrem Alltag zwischen Sozialbau, Partyclub, Amtsstuben und Untersuchungszimmer, und behält andererseits immer einen klaren Blick auf all den Mist, den sie noch immer anstellt, obwohl sie all das schon einmal durchgemacht hat. Umso bemerkenswerter ist ihr Kampf heraus aus der trotzigen, sperrigen Abwehrhaltung der gesamten Welt gegenüber, heraus auch aus der zerstörerischen Sucht und der ebenso toxischen Beziehung zu Bolle und hin zu so etwas wie Verantwortungsgefühl. Dieser Kampf zeigt sich beispielshaft in ihrem Verhältnis zu Marla, das ganz allmählich auftaut, weil Marla beharrlich dranbleibt, sie immer ernstnimmt, statt sie zu bevormunden und ihr Vertrauen und Respekt entgegenbringt, indem sie ihrerseits Schwächen und Süchte offenbart. Umso bitterer, dass die zarte Chance auf so etwas wie eine Zukunft vom deutschen Behördenwesen zerstört wird, das aber keineswegs als ganz und gar erbarmungslos dasteht, denn inmitten all der Regeln und Vorgaben und Gesetze gibt es auch einzelne Menschen, die durchaus zu Empathie und wirklicher Fürsorge fähig sind, wo dies im System eigentlich nicht vorgesehen ist. Dieses System ist in diesem Film eine durchgehend spürbare, präsente Größe, doch es wird eben nicht einseitig beurteilt, sondern auch nach den Menschen, die darin tätig sind, und das finde ich sehr beachtlich, denn es hätte nahegelegen, Jenny nur als Opfer zu zeigen, dann in den Mühlen des sogenannten rechts- und Sozialstaates untergeht, doch natürlich hat Jenny selbst den größten Anteil an ihrer Situation, und daran wird hier auch gar kein Zweifel gelassen. Drehbuch und Regie verhalten sich in diesem Punkt äußerst ausgewogen, und die Darstellung ist so stark und beeindruckend, dass ich an Wertungen oder Beurteilungen auch gar nicht groß interessiert war, sondern einfach nur zuschauen wollte, wie es mit Jenny weitergeht. Nach einigen überaus bemerkenswerten Filmen aus der deutschen Vergangenheit nun wieder ein toller Film aus der Gegenwart, und es ist ja nicht so, dass es im Hier und jetzt nicht auch relevante Geschichten zu erzählen gäbe… (11.12.)