L’amour ouf (Beating Hearts) von Gilles Lellouche. Frankreich/Belgien, 2024. Adèle Exarchopoulos, François Civil, Mallory Wanecque, Malik Frikah, Benoît Poelvoorde, Alain Chabat, Élodie Bouchez, Vincent Lacoste

   Eine auf den Kopf gestellte Amour Fou vielleicht, das könnte der französische Originaltitel bedeuten, auf alle Fälle aber eine wilde Romanze aus dem rauen französischen Industrienorden mit knalligem Soundtrack der 80er und 90er und herrlich authentischem Zeitkolorit. Die Geschichte von Jackie und Clotaire: Sie ist Halbwaise, lebt mit dem Vater allein und ist ein selbstbewusstes Mädchen, das sich nichts gefallen lässt und das vor allem aus seinem Leben etwas machen möchte. Er lebt mit vielen Geschwistern in sehr einfachen Verhältnissen, hängt mit seiner Clique ab, mobbt jeden, der vorbeigeht und wartet eigentlich nur auf ein Ventil für seine aufgestaute Wut und Aggression. Zwischen den beiden funkt’s sofort ganz heftig, und trotzdem lässt Clotaire sich mitziehen in die Gang des lokalen Drogenbosses, und damit ist die Katastrophe schon vorhersehbar. Ein Bruch geht schief, ein Wachmann stirbt, und besagter Gangsterboss opfert Clotaire, der unschuldig ist, aber anstatt des eigenen Sohnes dennoch für zehn Jahre in den Knast wandert. Jackie gerät völlig aus der Bahn, schmeißt all ihre Ambitionen über Bord und lässt sich Jahre später von einem reichen Jüngelchen rumkriegen, der ihr für kurze Zeit ein sorgenfreies Leben in Aussicht stellt – mit liebe hat das aber nichts zu tun. Dann kommt Clotaire aus dem Knast, randvoll Wut und Rachedurst, und bald geht‘s wieder wüst zur Sache im Gangstermilieu, und eigentlich müsste das Ganze ein tragisches Ende nehmen, doch wie durch ein Wunder ändert Clotaire den scheinbar unvermeidlichen Lauf der Geschichte, als er Jackie wiedertrifft und die beiden unter angemessen blutigen Umständen wieder zusammenfinden. Er geht der finalen Schießerei aus dem Weg, und die beiden bauen eine neue Existenz als Kassiererin bzw. Stapelwagenfahrer im Baumarkt auf. Er hat ihr hoch und heilig versprochen, sich nie wieder zu prügeln - und es sieht tatsächlich so aus, als könnte er sich daran halten.

 

   Gilles Lellouche hat mit viel Herz und Wucht inszeniert und auch dafür gesorgt, dass mir die hundertsechzig Minuten niemals langweilig und leer erschienen. Vielleicht wäre es mir persönlich lieber gewesen, wenn er den ganzen Gangster- und Gewaltkram zurückgestellt hätte zugunsten der Liebesgeschichte, um die es ja eigentlich in erster Linie gehen sollte. Zwischendurch aber entsteht eine lange Passage der Trennung, in der dann Clotaires brutales Comeback in der lokalen Verbrecherszene detailliert und drastisch beschrieben wird, und genau das hätte ich in dieser Ausführlichkeit nicht gebraucht. Dass er es letztlich schafft, den tödlichen Kreislauf zu durchbrechen, ist eine sehr schöne Geste, doch hätte mich auch interessiert, wie genau er das fertiggebracht hat, aber man schaut ihm eigentlich nur vor den Kopf und sieht stets einen zornigen jungen oder ganz jungen Mann, dessen Motive mir wie bei vielen anderen zornigen jungen Männern sehr fremd bleiben. Dennoch ein schöner Film, mit viel Leidenschaft gespielt und gestaltet, und schon deswegen sehenswert, weil er irgendwie den Geist vergangener Jahrzehnte atmet und viel Gefühl für Mensch und Milieu mitbringt. Auf jeden Fall eine willkommene Ausnahmeerscheinung in der aktuellen Kinolandschaft. ˜˜˜˜ (2.4.)