The Brutalist von Brady Corbett. England/USA/Ungarn, 2024. Adrien Brody, Felicity Jones, Guy Pearce, Joe Alwyn, Raffey Cassidy, Stacey Martin, Isaac de Bankolé, Emma Laird, Alessandro Nivola
Ganz zum Schluss im Epilog, nach dreieinhalb durchaus unterhaltsamen Stunden, kommt die Rede dann endlich auf die Architektur. Etwas spät, was mich betrifft, denn ich hatte genau darauf etwas früher gehofft. Also jetzt nicht auf einen wissenschaftlichen Exkurs zum Brutalismus, aber wenigstens darauf, dass wir ein wenig mehr Einblick in das Schaffen und Werk des Herrn László Tóth bekommen, einfach so aus Interesse. Aber außer ein paar Skizzen und Entwürfen und einem nicht vollendeten ersten Bauwerk in Pennsylvania kriege ich doch herzlich wenig von dem zu Gesicht, was Tóth als Architekten ausmacht. Immerhin gibt mir der Epilog von der Biennale anno 1980 eine flüchtige Idee davon auf welche Weise Tóth grauenhafte Erfahrungen im Holocaust in seine Bauwerke eingeflossen sind. Besser als gar nichts, könnte man also sagen.
In erster Linie ist dies ein Drama über Migration, Trauma und Macht. Migration und Trauma vor allem in Bezug auf den ungarischen Juden und im Bauhaus zu Dessau ausgebildeten Architekten, der Buchenwald überlebt und rechtzeitig von Bremerhaven aus in die USA gelangt, allerdings noch ohne seine Frau und seine Nichte, die ihrerseits Dachau überlebt haben und nun darauf hoffen, irgendwie aus Europa rauszukommen. Macht in Bezug auf den reichen Tycoon aus Pennsylvania, der tief in seinem Innern davon überzeugt ist, dass Reichtum zu Einfluss wird und ihm letztlich jede Tür öffnet. Zunächst spielt er sich als Wohltäter für László Tóth auf, bewirkt sogar die Ausreise von Frau und Nichte, doch nach und nach wandelt sich das Bild, bis es schließlich zu einem brutalen Übergriff kommt. Die stärksten Szenen hat der Film immer dann, wenn zwei denkbar verschiedene, letztlich auch unvereinbare Welten aufeinander treffen, die hier von den Familien Van Buren und Tóth verkörpert werden. Niemals kann es ein Verständnis zwischen diesen beiden Welten geben, denn selbst bei aller Empathie können sich die wohlhabenden Herrschaften von der Ostküste nicht entfernt vorstellen, was die osteuropäischen Juden erlitten haben, und fast jede ihrer Äußerungen ist auf fast brutale Weise arglos und unangemessen. Tóth ist längst gezeichnet von Drogen- und Alkoholsucht, ein Mensch, der den Holocaust vielleicht physisch überlebt hat, aber nicht seelisch, wie so viele andere auch. Seine Erszébet wiederum ist eher körperlich gezeichnet, während die Nichte Zsófia buchstäblich die Sprache verloren zu haben scheint. Demgegenüber wirken die Befindlichkeiten der Amerikaner kindlich und einfältig, doch sowohl Vater als auch Sohn Van Buren offenbaren dunklere Abgründe, die sie immer wieder über alle Grenzen stoßen, was schließlich zum Bruch mit Tóth und seiner Frau führt.
Der Film ist irre schick gestaltet, toll fotografiert in VistaVision und mit ebenso tollem Sounddesign ausgestattet, und er erzählt seine Geschichte über die ganze lange Distanz hinweg kraftvoll und eindringlich. Die Schauspieler, allen voran natürlich der einmal mehr grandiose Adrien Brody, sind durchweg stark, und thematisch kommt wirklich einiges rüber, leider nicht ganz so, wie ich es erhofft hatte. Ist natürlich mein Problem, klar, und alles in allem ist dies auf jeden Fall einer der interessantesten und besten Filme über den sogenannten „amerikanischen Traum“ (der sich spätestens dieser Tage ein für allemal erledigt haben dürfte). Aber wenn ein Film schon so heißt, hätte ich gern etwas mehr über den Brutalisten in seiner Profession erfahren… (17.2. – Prosit, Lilly Louisa…)