Niki (Niki de Saint Phalle) von Céline Sallette. Frankreich/Belgien, 2024. Charlotte Le Bon, John Robinson, Damien Bonnard, Judith Chemla, Alain Fromager, Virgile Bramly, Grégoire Monsaignon, Nora Arnezeder
Von Niki de Saint Phalle kenne ich nur ein paar üppig runde farbenfrohe Nanas und die glitzernde bunte Grotte im Herrenhäuser Garten. Wenn ich an diese scheinbar so lebensbejahenden Werke denke, würde mir wohl nie in den Sinn kommen, welch ernsten und düsteren Hintergrund diese Kunst hat. Dieser Film hilft mir in diesem Punkt auf die Sprünge: Kunst als Therapie, als Exorzismus, das ist hier das Thema. Die junge Niki, jung verheiratet, junge Mutter, Möchtegernmalerin an der Seite eines Möchtegernschriftstellers, und dann immer diese unkontrollierbaren Attacken von Panik und Wut. Als es so nicht mehr weitergeht und sie schon scharfkantiges Werkzeug unter ihrer Matratze sammelt, wird sie in eine Anstalt eingewiesen, und dort gibt‘s Elektroschocks und Psychotherapie, und immerhin kommt zutage, dass Nicki als junges Mädchen von ihrem Vater missbraucht wurde, doch als ihr Arzt den Entschuldigungsbrief ihres Vaters verbrennt, den einzigen Beweis für die erlittene Gewalt, geht wieder etwas in ihr kaputt. Sie verlässt ihre Familie, schließt sich ein paar Künstlern an, lässt sich mit ein paar Männern ein, doch sie kommt nicht vom Fleck, findet keinen eigenen Ausdruck. Irgendwann macht’s dann doch Klick, sie schnappt sich das Hemd ihres widerwärtigen Lovers, nagelt’s an eine Leinwand und attackiert das Ding mit allem, was grade zur Hand ist – Nägel, Messer, ein Beil undsoweiter, und nachher spürt sie, wie befreit sie ist. Der nächste Schritt: Eine Figur mit Farbbeuteln ausstatten und drauf schießen. Und damit hat sie endlich ihre Identität als Künstlerin gefunden.
Das Überraschende an diesem Film über eine Künstlerin: Von ihrer Kunst sieht man nichts. Weder das massakrierte Hemd noch die zerschossene Puppe, noch irgendetwas anderes, das ist am Ende fast schon eine Provokation. Das mag den einen oder anderen brüskieren oder irritieren, das entspricht erst recht nicht der gängigen Auffassung einer Künstlerbiographie. Wenn ich mich aber darauf einlasse, finde ich das Konzept gar nicht so reizlos, zumal die Regisseurin das ziemlich konsequent durchzieht. Sie bleibt bei Niki, und wir erleben ihre Kunst sozusagen nur indirekt anhand ihrer Wirkung. Und die ist durchaus beachtlich. Ihre menschlichen Beziehungen sind allerdings eher brüchig (und bleiben im Film leider oft auch recht unscharf), mal toxisch, mal unbefriedigend, manchmal aber auch gut und tröstend. Der Weg aus der missbrauchten Kindheit ist ein langer und furchtbar harter Kampf, ein Kampf gegen die Erinnerung und Entwürdigung, vor allem ein Kampf, der mehr Kraft kostet, als die zarte Niki aufbringen kann, was sicherlich auch ein Grund für ihre Flucht von Ehemann und Kind sein wird. Drehbuch und Regie gestehen uns Zuschauern zu, dass wir erwachsen sind, über ein eigenes Urteilsvermögen verfügen und nicht alles bis ins Kleinste vorgekaut bekommen müssen. Das hat mir gefallen, und dennoch habe ich mir zwischendurch gewünscht, einige der Menschen auf Nikis Weg hätten ein wenig mehr Fleisch auf die Knochen bekommen, denn so bleiben wir mehr oder weniger mit Niki allein. Die feingliedrige, faszinierend ausdrucksvolle Darstellung Charlotte Le Bons ist große Klasse, kann aber dennoch nicht verhindern, dass immer eine gewisse Distanz bleibt zu dieser Person, und auch das ist sicherlich so gewollt und grundsätzlich nicht ganz verkehrt, denn eine Biographie muss durchaus nicht immer bis ins letzte Hinterzimmer leuchten. Ich für meinen Teil habe aber gemerkt, dass ich mich emotional nicht so recht engagieren konnte, und das hat mir hier und da schon etwas gefehlt. So gesehen ist dies ein durchaus interessanter Versuch, eine Künstlergeschichte mal anders zu erzählen, und dank der Hauptdarstellerin ist das auch bis zu einem gewissen Grad gut gelungen – aber es wäre vielleicht noch mehr drin gewesen hier. » (27.3.)